Perlmutter Museum

Standort Adorf, Deutschland Architekt Schulz und Schulz Fertigstellung 2025

Architektur trifft Geschichte

Als ich zum ersten Mal vor dem zukünftigen Perlmutter Museum in Adorf stand, war das Gebäude noch eine Mischung aus Rohbau, Baustelle und Vision. Zwei historische Fachwerkhäuser, verbunden durch einen modernen Sichtbetonbau, direkt an der alten Stadtmauer – ein Ensemble, das Geschichte, Handwerk und zeitgenössische Architektur auf engstem Raum vereint. Mich hat sofort fasziniert, wie selbstbewusst der Neubau hier seinen Platz gefunden hat. Der Beton sticht prominent aus dem Bestandsbau heraus und kragt mit seiner in sich geschwungenen Fassadeaus der angrenzenden Gebäudelinie hervor. Gleichzeitig steckt in seiner Formensprache eine individuelle Botschaft: die Anmutung einer Muschelschale, inspiriert von der Flussperlmuschel, deren Geschichte eng mit dieser Region verbunden ist.

Meine Aufgabe war es, diesen Kontrast sichtbar zu machen – die Verbindung von Alt und Neu, von rauer Schale und kostbarem Inneren. Ziel der Aufnahmen war eine Bildserie, die das architektonische Konzept nicht nur dokumentiert, sondern emotional erfahrbar macht. Dafür habe ich gemeinsam mit dem Architekturbüro Schulz und Schulz eine klare gestalterische Linie entwickelt: klare Kompositionen, weiches Licht, dezente Farbigkeit. Das Projekt wurde in drei Phasen über fast ein Jahr hinweg fotografisch begleitet – von der verschneiten Baustelle bis zur finalen Eröffnung. Jede dieser Phasen stellte andere Anforderungen, aber alle verband ein gemeinsames Ziel: eine Bildwelt zu schaffen, die die Architektur in ihrem Kontext zeigt und zugleich die Haltung des Architekturbüros widerspiegelt – präzise, reduziert und auf das Wesentliche konzentriert.

Die Herausforderung – Zwischen Baustelle und Wettbewerbsdokumentation

Der erste Auftrag kam kurzfristig. Das Architekturbüro benötigte Bilder für eine Wettbewerbseinreichung, während der Neubau noch mitten im Bauprozess war. Solche Situationen sind immer eine besondere Herausforderung, weil man die gestalterische Qualität eines Gebäudes zeigen soll, bevor es überhaupt fertig ist. In diesem Fall kam hinzu, dass es Winter war – Temperaturen unter null, Schnee und kurze Tage. Der Strom war auf der Baustelle noch nicht angeschlossen, also musste ich das vorhandene Tageslicht gezielt mit kleinen Blitzakzenten ergänzen, ohne die Stimmung zu verfälschen.

Ich habe die Wettersituation über mehrere Wochen hinweg beobachtet, um den idealen Moment zu erwischen. Das Ziel war, die winterliche Atmosphäre und die monochrome Farbwelt des Sichtbetons einzufangen, ohne dass die Bilder trist wirken. Bei Schnee offenbaren sich Formen, Linien und Texturen auf eine ganz besondere Weise. Alle Ablenkungen der Umgebung verschwinden, und was bleibt, ist der Fokus auf die Essenz.

Gleichzeitig musste ich störende Elemente des laufenden Baubetriebs – Werkzeuge, Kabel, Bauschutt – so weit wie möglich ausblenden. Ich habe bewusst mit engen Ausschnitten gearbeitet und in der Nachbearbeitung eingegriffen, wo es nötig war, um den authentischen Charakter zu bewahren. Der Fokus lag auf den konstruktiven Details des alten Fachwerks und den ersten sichtbaren Flächen des neuen Betonbaus – ein Dialog aus Geschichte und Gegenwart, der bereits in dieser frühen Phase spürbar war.

Fotografische Strategie – Reduktion als Gestaltungsmittel

Bereits zu Beginn war klar, dass die Bildsprache dieses Projekts direkt auf die Wünsche des Architekturbüros zugeschnitten sein würde. Schulz und Schulz bevorzugen eine klare, monochrome Ästhetik – Fotografien, die nicht durch Farbe, sondern durch Licht und Struktur wirken. Gemeinsam haben wir definiert, dass die Aufnahmen das Gebäude nicht inszenieren, sondern seine Materialität und Präsenz im Stadtraum sichtbar machen sollen.

Die architektonische Idee des Museums – „wie eine graue Perlmutter im Bachlauf“ – wurde zur Leitlinie der gesamten Serie. Beton, Fachwerk und Wasser sollten nicht als Gegensätze, sondern als miteinander verwobene Elemente erscheinen. Dafür habe ich das diffuse Licht bedeckter Tage genutzt, das harte Schatten vermeidet und den Beton in seiner vollen Plastizität, ungestört von harten Schatten zeigt. Regen und Schnee waren keine Störungen, sondern willkommene Gestaltungselemente, die die Oberfläche lebendig werden ließen.

Licht, Perspektive und Witterung wurden so zu gleichwertigen Werkzeugen. Ich habe bewusst Blickwinkel gewählt, die den Neubau in Beziehung zu den angrenzenden Fachwerkhäusern und der Stadtmauer setzen. Jede Aufnahme sollte nicht nur die Architektur erklären, sondern auch ihre Einbindung in den historischen Kontext erzählen. Die größte Herausforderung bestand darin, die Balance zwischen dokumentarischer Genauigkeit und künstlerischer Interpretation zu halten. Die Bilder sollten sowohl technisch präzise als auch emotional zugänglich sein – klar in der Sprache, ruhig in der Wirkung und dennoch mit einer unterschwelligen Spannung zwischen Alt und Neu.

Umsetzung in drei Phasen – Vom Rohbau zur architektonischen Vollendung

Das Projekt wurde über fast ein Jahr hinweg in drei Etappen dokumentiert. Jede Phase hatte ihren eigenen Charakter, ihre eigenen Herausforderungen und fotografischen Schwerpunkte.

Phase 1: Winter 2025 – Wettbewerbsaufnahmen im Schnee

In der ersten Phase ging es darum, den Rohbau für eine Wettbewerbseinreichung festzuhalten. Der Schnee verlieh der Szenerie eine grafische Wirkung – Linien, Kanten und Flächen traten klar hervor, Ablenkungen verschwanden. Das kalte Licht untersteicht die monochrome Farbwelt des Sichtbetons und ließ die Texturen des Fachwerks besonders deutlich hervortreten. Ich konzentrierte mich auf die konstruktiven Übergänge: die Verbindung der alten Balken mit den neuen statischen Verstärkungen im Inneren. Es war eine fotografische Arbeit an der Grenze zwischen Dokumentation und Interpretation – mit dem Ziel eine Baustelle bereits als fertige Architektur zu lesen.

Phase 2: Frühjahr 2025 – Innenräume vor der musealen Nutzung

Die zweite Phase führte mich zurück in das Gebäude, kurz bevor der museale Ausbau begann. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fachwerkwände fertiggestellt und lasiert, der Innenraum aber noch leer. Ohne Stromversorgung arbeitete ich erneut mit dem vorhandenen Tageslicht und ergänzte es dezent durch Blitzlicht, um bestimmte Raumzonen zu betonen. Hier ging es weniger um die äußere Form, sondern um Atmosphäre. Das Zusammenspiel von Licht, Material und Raumtiefe stand im Mittelpunkt. Ich habe bewusst störende Elemente wie Kabel, Bauzeichnungen oder Werkzeuge beseitigt, um den Blick auf die architektonische Struktur zu lenken. So entstand eine Serie stiller, konzentrierter Innenraumbilder, die bereits den späteren Charakter des Museums erahnen ließen.

Phase 3: Herbst 2025 – Abschlussdokumentation vor Eröffnung

Die dritte Phase war zeitlich am anspruchsvollsten. Ziel war es, den Moment zwischen Fertigstellung des Baus und Eröffnung zu nutzen – einen kurzen Zeitraum, in dem das Gebäude vollständig bereit, aber noch unbelebt war. Dafür war eine enge Abstimmung mit den Elektrikern und dem Museumsteam notwendig, das parallel bereits die Ausstellungsstücke einräumte. Ich arbeitete schnell und präzise, um die Räume in möglichst aufgeräumtem Zustand zu zeigen. Besonders wichtig war mir die Straßenfassade mit ihrem Wasserlauf, der sich über das geneigte Betondach ergießt und in ein kleines Wasserspiel mündet. Diese architektonische Geste verbindet das Gebäude mit der Idee seines Vorbilds – der Flussperlmuschel – und war zugleich ein zentrales Motiv der finalen Bildserie. Jede dieser Phasen erzählte einen anderen Abschnitt des Bauprozesses, doch alle zusammen ergaben sie ein konsistentes visuelles Narrativ: den Weg von der Idee über die Konstruktion bis zur Vollendung – festgehalten in einer reduzierten, präzisen Bildsprache, die der Architektur den Raum gibt, den sie verdient.

Technik und Ausrüstung – Präzision als Werkzeug

Bei komplexen Projekten wie diesem hängt vieles von der richtigen technischen Vorbereitung ab. Für die verschiedenen Phasen des Shootings habe ich bewusst flexibel gearbeitet – von der Raumübersicht bis zum architektonischen Detail, von der hochauflösenden Vollformat Kamera bis zur Drohne. Entscheidend war, für jede Situation das passende Werkzeug zu wählen, ohne den fotografischen Fluss zu unterbrechen.

Zum Einsatz kamen eine Canon EOS R5 mit den Objektiven Laowa 15 mm f/4.5 Zero-D Shift, Canon TS-E 24 mm f/3.5 L II und Canon RF 24-105 mm f/4 L IS USM. Die Tilt-Shift-Objektive waren dabei das zentrale Werkzeug, um präzise Perspektiven zu erzeugen und die vertikale Struktur der Fachwerkbauten sauber zu halten. Für die Außenaufnahmen und Kontextbilder kamen zwei Drohnen zum Einsatz: die DJI Mini 3 Pro für Aufnahmen über der Altstadt, wo Gewicht und Flexibilität entscheidend waren, sowie die DJI Mavic 4 Pro für hochauflösende Sequenzen mit stärkerem Dynamikumfang. Beide lieferten mir ergänzende Perspektiven, die das Museum in seine städtebauliche Umgebung einbetteten. Da das Gebäude in großen Teilen noch ohne Beleuchtung war, habe ich dezent mit Profoto B10-Blitzen und Translucent-Umbrellas gearbeitet, um das vorhandene Tageslicht sanft zu unterstützen. Es ging nicht darum, künstliche Helligkeit zu erzeugen, sondern um eine subtile Lichtführung, die die Materialität betont, ohne sichtbar zu werden.

In der Nachbearbeitung kamen Capture One 21 und Adobe Photoshop zum Einsatz. Der Workflow war klar definiert: Zunächst eine saubere technische Entwicklung in Capture One mit kontrollierter Farbreduktion, anschließend eine gezielte Kontrastbearbeitung in Photoshop, um Struktur und Tiefe zu betonen. Dabei habe ich darauf geachtet, dass die Bilder sowohl in Farbe als auch in Schwarzweiß funktionieren – eine Anforderung, die Schulz und Schulz häufig an ihre Projektdokumentationen stellen.

Persönliche Perspektive – Faszination für Kontraste

Mich faszinieren Orte, an denen Gegensätze aufeinandertreffen. Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, zwischen handwerklicher Struktur und zeitgenössischer Klarheit, zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit. Beim Perlmutter Museum war genau dieser Gegensatz der Ausgangspunkt für meine fotografische Herangehensweise. Ich sehe solche Projekte als visuelle Gespräche. Das Fachwerk mit seiner jahrhundertealten Patina erzählt von Geschichte, Handwerk und Beständigkeit. Der neue Sichtbetonbau spricht eine völlig andere Sprache – präzise, reduziert, fast still. In der Kombination entsteht eine Spannung, die sich nicht auflösen lässt, sondern gerade in ihrem Widerspruch stark wird. Diese Energie fotografisch sichtbar zu machen, ist für mich die eigentliche Aufgabe von Architekturfotografie.

Das Projekt erinnerte mich in vielerlei Hinsicht an meine Serie Modern Alpine Architecture, in der ich moderne Bauten in ungezähmter Natur dokumentiert habe. Auch dort geht es um das Verhältnis von Mensch und Raum, von Gestaltung und Umgebung. Ebenso wie bei der Trinitatiskirche von Code Unique, wo Beton und Licht miteinander verschmelzen, geht es auch hier um Balance – zwischen Reduktion und Ausdruck, zwischen Kontrolle und Atmosphäre. Ich glaube, gute Architekturfotografie entsteht genau an dieser Grenze: wenn man nicht nur abbildet, sondern eine Haltung sichtbar macht. Beim Perlmutter Museum war das die Haltung, dass Altes und Neues sich nicht ausschließen müssen, sondern gemeinsam eine neue Identität bilden können.

Fazit – Architektur sichtbar machen

Das Perlmutter Museum war für mich mehr als eine klassische Projektdokumentation. Es war ein Prozess, in dem Architektur, Geschichte und Witterung miteinander verwoben waren. Jedes Shooting erforderte eine andere Herangehensweise – vom improvisierten Arbeiten auf der winterlichen Baustelle bis zur präzisen Koordination kurz vor der Eröffnung. Doch genau diese Vielschichtigkeit macht für mich die Architekturfotografie so spannend.

Am Ende geht es immer darum, Architektur sichtbar zu machen – nicht nur als Objekt, sondern als Haltung. Gute Architekturfotografie übersetzt Ideen in Bilder, die verstanden werden, ohne dass man sie erklären muss. Beim Perlmutter Museum war das die Idee von Wandel, von Transformation und der Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich sehe meine Aufgabe darin, diese Essenz zu finden und in eine Bildsprache zu übertragen, die Architekten, Bauherren und Betrachter gleichermaßen erreicht. Im besten Fall entsteht daraus mehr als nur ein fotografisches Dokument: eine Bildwelt, die die Werte und die Vision eines Projekts transportiert und ihre Wirkung weit über die Fertigstellung hinaus entfaltet.

Ausrüstung

Kamera

1. Objektiv

2. Objektiv

3. Objektiv

Stativ

Drohne

Software

Albrecht Voss Architekturfotograf in den Alpen

KONTAKT

KONTAKT

Sie haben ein Projekt, das besondere Bilder verdient?

Dann kontaktieren Sie mich gerne persönlich:

Zurück
Zurück

Eternal Echoes

Weiter
Weiter

SAB Neubau Leipzig