Tag der Architektur 2023

Als Architekturfotograf ist der Tag der Architektur eines der Highlights meines Jahres. An keinem anderen Wochenende gibt es die Möglichkeit so viele unterschiedliche Bauprojekte in der gesamten Republik zu entdecken. Seit einigen Jahren unterstütze ich die Architektenkammer Sachsen mit einer Fotodokumentation des Wochenendes:

Alte Schokoladenfabrik

Den Auftakt meiner Architekturreise durch Sachsen macht die von Alexander Poetzsch Architekten sanierte “Alte Schokoladenfabrik” in Dresden. Das Projekt ist ein sehr gutes Schaubild dafür, wie man mit begrenzten Ressourcen und viel Respekt zur alten Bausubstanz ein Gebäude neu zum Leben erwecken kann. In die sanierte Immobilie zieht ein integratives Familienzentrum des Deutschen Kinderschutzbunds mit therapeutischen Wohngemeinschaften, ein Jugendtreff, eine Beratungsstelle und eine Stadtteilbibliothek ein. So besteht der Hauptteil des Gebäudes aus kleineren und größeren Büroeinheiten. An ausgewählten Stellen wurde an den Wänden auf den Putz verzichtet, um die alten Klinker wie ein Kunstwerk hervorzuheben. Die ehemalige Fabrikhalle wurde von ihrem baufälligen Dach befreit und bildet jetzt einen Innenhof, über welchen sich das Gebäude erschließt. Mein persönliches Highlight dieser Immobilie sind die schwarzen Metallelemente im Innenhof, welche die helle, warme Farbe der geschlämmten Fassaden toll kontrastieren.

Architekturfoto Alte Schokoladenfabrik Dresden ALEXANDER POETZSCH Architekten
 

Haus der Kathedrale

Alexander Poetzsch stellt dieses Jahr gleich zwei seiner Projekte vor. Das ehemalige Kanzleihaus aus der Renaissancezeit im Zentrum Dresdens hat das Büro saniert, die Technik erneuert, Brandschutzmängel beseitigt und die Nutzungen neu geordnet. Die prägnanteste Veränderung hat hierbei im Innenhof des Gebäudes stattgefunden. Mit dem neuen Wandelgang wird dieser zu einem repräsentativen Veranstaltungsort für den Bischofssitz aufgewertet. Dabei fügen sich die Geländer und Treppen wunderbar in das historische Bild des Gebäudes ein und transferieren seine Stilistik sehr ästhetisch in das 21. Jahrhundert.

Den Tag der Architektur zeichnet besonders die Nähe aus, in der man den Architekten begegnet. In neunzig sehr unterhaltsamen Minuten führte Herr Poetzsch durch sein Projekt und berichtete von den vielen Lehren, die sein Team und der Bauherr aus der Sanierung im laufenden Betrieb mitgenommen haben. Während des Rundgangs konnte man die Architektur sehen, hören und fühlen und hat mehr über die Gedanken bei der Materialwahl, Akustik und Lichtgestaltung erfahren.

Immobilienfoto Haus der Kathedrale Dresden ALEXANDER POETZSCH Architekten
 

Stadtbibliothek Mittweida

Das Architekturbüro Raum und Bau ist kein Neuling beim Tag der Architektur. Bereits 2020 habe ich die Führung durch die Festung Xperience fotografisch dokumentiert. Architekt Alexander Krippstädt führte dieses Jahr durch die Stadtbibliothek Erich Loest in Mittweida. Seit meiner Studienzeit ziehen mich Bibliotheken in ihren Bann und so konnte ich mir auch diese Führung auf keinen Fall entgehen lassen. Raum und Bau hat hier eine wundervolle Komposition aus klassischen und modernen architektonischen Elementen erschaffen. Die Bibliothek lädt zum Entdecken und stöbern ein. Durch die zweifache Erschließung mit einem historischen und einem neuen Treppenaufgang, kann man in dem Gebäude seine Runden drehen, ohne jemals in einer Sackgasse zu landen. Überall wird man dabei von den prägnanten Dreiecken der Dachfenster begleitet, die sich sowohl in der Akustikdecke, als auch im Wegesystem des Gebäudes wiederfinden. Die zwei Bibliotheksetagen spielen mit vielen Sichtachsen und einer Mischung aus Kompression und Expansion des Raumes. So öffnet sich der Blick immer wieder auf das großzügige Atrium, wenn man aus den Regalgängen heraustritt.

Fotoshooting Stadtbibliothek Erich Loest Mittweida von Raum und Bau Architekten
 

Neuapostolische Kirche Dresden

Ganz unprätentiös fügt sich die Neuapostolische Kirche von Reiter Architekten in das Bild der Pirnaer Straße in Dresden ein. Direkt an den ebenerdigen Flachbau des Verwaltungsgebäudes schließt sich der Kirchenraum an, der spätestens beim Hereintreten seine wahre Größe verrät. Der Blick des Besuchers geht ganz unweigerlich direkt beim Betreten zum Oberlicht des Raumes. Es handelt sich hierbei um Architektur, die ganz deutlich den Zweck des Gebäudes unterstützt: Ein Fenster zu Gott zu schaffen. Getragen wird das das Dach der Kirche durch ein Rauthengewölbe aus vorgebogenen und gefrästen Leimhölzern, an die sich ein 40m langes, farbiges Lichtband anschließt, welches das Deckengewölbe förmlich zum Schweben bringt. Die Holzkirche setzt ganzheitlich auf nachhaltige Materialien. So bestehen die Wände aus Lehmputz, der auf Schilfrohr aufgetragen wurde und so ganz natürlich auch als akustische Dämmung dient. Auch in Hinblick auf die Energieeffizient setzt die Kirche sich hohe Ziele. Architekt Olaf Reiter ist Spezialist für moderne Interpretationen von Holzbauten und hat bereits beim Tag der Architektur im vergangenen Jahr sein IHD Konferenzzentrum in Dresden vorgestellt, dass ein ähnlich spektakuläres Deckengewölbe nutzt.

Nicht nur hat uns Herr Reiter von den vielen Inspirationen und Materialtests berichtet, die in die Planung dieses Gebäudes eingeflossen sind. Wir konnten auch dem Kirchenchor bei einer Gesangsprobe lauschen und so einen Eindruck von der tollen Akustik des relativ kompakten Kirchensaals erhalten.

Neuapostolische Kirche Dresden von Reiter Architekten Rautengewölbe
 

Berufsschule Tieckstraße Dresden

Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten führten uns dieses Jahr durch die Grünanlagen der Berufsschule Tieckstraße in Dresden. Der Fokus lag dabei auf dem begehbaren Dachgarten der Sporthalle, der auch gleichzeitig die Außenfläche der Mensa bildet. Bei einer lauen Brise unter den üppigen Sonnenschirmen lauschten wir gespannt den Erzählungen über die harten Verhandlungen, die in das Konzept dieses Gartens einflossen. Zu Beginn des Projektes herrschte noch große Uneinigkeit darüber, wie viel Grün die Schüler benötigen und nutzen würden. Das erste Schuljahr in dem Neubau hat jedoch gezeigt, dass der großflächige, ganz natürliche Dachgarten einen maßgeblichen Zuwachs an Lebensqualität bietet. Die Sitz- und Liegemöglichkeiten unter den Sonnenschirmen sind begehrte Plätze bei jeder Pause und über die Walderbeeren und verschiedenen Kräuter freuen sich nicht nur die Besucher des Tages der Architektur, sondern auch die Berufsschüler sehr. UKL Landschaftsarchitekten haben auf der begrenzten Fläche des Innenhofes eine grüne Oase mit 20 neuen Laubbäumen und zahlreichen Tischgruppen, Bänken und Liegedecks geschaffen, welche den alten Baumbestand und die neue Architektur ganz natürlich ergänzen.

Zeigner Berufsschule Dresden Tieckstraße
 

Sachsen Energie Firmenzentrale

Die neue Firmenzentrale von Sachsen Energie stellt dieses Jahr beim Tag der Architektur wohl die größte Veränderung des Stadtbildes Dresdens dar. Nur einen Steinwurf vom Dresdner Hauptbahnhof entfernt haben gmp Architekten einen neuen Gebäudekomplex mit Doppeltürmen (51m und 32m hoch) entworfen. Der Büroneubau schafft über 900 neue Arbeitsplätze und wird nach der Sanierung des angrenzenden City Centers über eine Brücke mit dem Altbau verbunden. Ausschlaggebend für die Beauftragung von gmp Architekten war für den Bauherren der Fassadenentwurf, der sich als homogener Mantel um den Gebäudekern schmiegt. Die Großraumbüros, mit durchweg flexiblen Arbeitsplätzen, blicken auf die abwechslungsreichen Grünanlagen von Blaurock Landschaftsarchitekten, die sich auf die Außenanlagen, sowie zwei Dachterrassen verteilen.

Auch das Interieurdesign stammt von gmp Architekten und greift immer wieder den prägnanten Rotton aus dem Sachsen Energie Logo auf. Besonders elegant ist dies im Erschließungsbereich des Erdgeschosses gelöst. Hier versteckt sich eine rote Wand hinter einem feingliedrigen Gitter aus schwarzem Metall - eine gelungene Verschmelzung von Interieur- und Exterieurdesign (zu sehen auf meinem Instagram Profil).

Sachsen Energie Firmenzentrale Dresden GMP Architekten
 

Universalgebäude HTW Dresden

Den Abschluss des Architekturrundgangs 2023 macht das neue Universitätsgebäude der HTW Dresden von Rohdecan Architekten. In dem Lehr- und Laborgebäude der Hochschule wurden wir vom Keller bis zum Dachgeschoss über die gesamte Baustelle geführt. Die Fassade des Gebäudes nimmt die orthogonale Struktur der bestehenden Umgebungsarchitekt auf und grenzt gleichzeitig verschiedene Bereiche ab. So ist das zweigeschossige Foyer markant herausgearbeitet, nimmt aber im selben Atemzug auch die Desigsprache des vierten und fünften Obergeschosses auf. Mit den Worten des Architekten: “Die präzise gefügten Metallelemente ordnen sich in ihrer Maßstäblichkeit und goldbronzenen Farbstimmung zwischen Zentralgebäude und Bibliothek ein und binden so die drei Gebäude zu einem Ensemble zusammen. In ihrer gestalterischen Ausbildung interpretiert die architektonische Fassung die Formensprache des Prager Kubismus als das Ergebnis von Faltung und Fügung. Gleichwohl und auch durch die Ausbildung der Rasterfüllungen erhält das Gebäude auch ein technoides Antlitz als Verweis auf seine innere Funktion.” Im Innenraum gelingt dem Gebäude der Spagat aus rauem und lauten Laborbereichen auf der einen und luftig leisen Bürobereichen auf der andere Seite. Durch sein flexibles Raumdesign bietet das Gebäude die Möglichkeit von vielfältigen Umnutzungen im Laufe seiner Lebzeit und trägt damit zu einer nachhaltigen Bauweise bei. Nachhaltigkeit ist der Zentrale Begriff bei diesem Bauprojekt. Mittels eines allumfassenden Monitorings wird der gesamte Bau, sowie das fertige Gebäude kontinuierlich auf dem Prüfstand gestellt und auf seine ESG-Kompatibilität geprüft, um eine ökologisch und sozial nachhaltige Architektur zu gewährleisten. In Kombination mit einer kurzen Bauzeit und den Herausforderungen der vergangen COVID-19 Pandemie, ist dies für den Bauherren und das Architekturbüro ein sehr ambitioniertes Projekt.

Universalgebäude HTW Dresden Rohdecan Architekten
 

Fazit

Bei sommerlichen 30°C und knappen Zeitfenstern zwischen den einzelnen Führungen, war der Tag der Architektur sowohl logistisch, als auch fotografisch eine sportliche Herausforderung für mich. Normalerweise verbringe ich bei meinen Architektur Fotoshootings einen gesamten Tag in der Immobilie und plane meine Bilder nach dem besten Sonnenstand von den frühen Morgenstunden bis zur Abenddämmerung. An diesem letzten Wochenende im Juni geht es jedoch um Spontanität und die schnelle Auffassung von Raumstrukturen und interessanten Perspektiven. Zwischen Veranstaltungsdokumentation, Architekturfotografie und Baustellendokumentation jongliere ich mit verschiedenen fotografisches Genres, die zusammen ein abwechslungsreiches Potpourri an Bildern ergeben. Noch mehr Motive findest du im Laufe des Juli 2023 auf meinem Instagram Kanal.

Dank an alle Architekturbüros und Bauherren, die mit viel Leidenschaft und Ausdauer durch ihre Objekte geführt haben und sich auch kritischen Fragen gestellt haben. Ohne diese Bereitschaft wäre der Tag der Architektur nicht möglich.

Schlussendlich möchte ich nicht vergessen der Architektenkammer Sachsen ein großes Lob für ihre tolle neue Webpräsenz zum Tag der Architektur auszusprechen. Mit dem neuen Online-Tool können alle Architekturinteressierten ihr ganz individuelles Programm an letzten Juni Wochenende jedes Jahres planen.

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Cover Fine Art Printer 03/2023